Stellungnahme von Stadtrat Rainer Schmitt zum SEPA-Projekt. Gemeinderatssitzung vom 28.4.2009

Veröffentlicht am 29.04.2009 in Fraktion

Herr OB,
verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren in der Zuhörerschaft!

Um was geht es heute?
Es geht um eine sehr wichtige Entscheidung, natürlich.

Es geht aber auch um die Berücksichtigung von Faktoren, ob diese Entscheidung, nämlich die Vergabe an SEPA, nach unserem Ermessen rechtlich sauber gefällt werden kann, das Angebot die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bruchsal befriedigt und die Stadt sich auf keinen Fall mit Risiken den Hals zuzieht beim Abschluss der Verträge. Es geht um die neue Situation durch die Schließung des Kaufhaus Schneider und um den drohenden Kaufkraftverlust durch die Wirtschafts- und Finanzkrise. Darum geht’s.

Diese Faktoren abzuwägen ist die Pflicht eines Jeden hier im Gemeinderat. Dafür wurden wir nämlich auch gewählt.
Es geht nicht darum, dass diejenigen im Rat, die sich solche Fragen stellen, gegen eine positive Entwicklung der Innenstadt sind. Es geht auch hier –und mir vor allen Dingen nicht- um eine billige Verhinderungskampagne gegen SEPA, um ECE wiederzubeleben, wie auch behauptet wird.
Es wird ja so getan, dass man beinahe ein Verräter an der guten Sache ist, wenn genauer hingeschaut und hinterfragt. Man wird ja geradezu stigmatisiert als Gegner Bruchsals, wenn aus gutem Gewissen heraus ernste Fragen gestellt, Bedenken geäußert werden und man unkalkulierbare Risiken nicht hinnehmen möchte. Wir tun das und tun das ausschließlich zum Wohle der Stadt Bruchsal, meine Damen und Herren.
Wir stehen heute mit der finalen Entscheidung am Ende eines über zweijährigen Prozesses. Lassen sie mich deshalb etwas rekapitulieren. Es ist uns sehr wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bruchsal genau verstehen, warum wir diese ganze Geschichte nicht einfach so durchwinken können.
Lassen Sie mich zunächst unsere Bedenken darlegen.

Wie haben wir uns gefreut, als im Frühjahr 2007 gleich 6 Bieter bereit waren unseren Alten Marktplatz mit groß- und kleinflächigem Einzelhandel zu bebauen, die Kriegslücke zu schließen und auch noch im Nebeneffekt städtebaulich aufzuwerten!
Wie froh waren wir, dass endlich nach der Ansiedlung von C&A, die Innenstadt noch einen entscheidenden Impuls bekommen sollte, Kaufkraft wieder mit attraktivem Einzelhandel in die Innenstadt zurück zu gewinnen!
Das neue Einkaufszentrum in der Innenstadt sollte unser aller Auffassung nach:
1. Sortimentslücken schließen
2. Sortimente auch im gehobenen Segment anbieten
3. Kaufkraft wieder zurückholen
4. Ein echter Frequenzbringer sein
5. Einen Attraktivitätsgewinn darstellen
6. Ein Betreiberkonzept bzw. Centermanagement haben
7. Ein Aushängeschild unseres Mittelzentrums sein

Wie haben wir gerungen und politisch diskutiert, um die beste städtebauliche und vor allem dem Interesse der Stadt am nächsten kommende Lösung aus diesen Anbietern zu finden.
Wie haben wir uns im AUT und im Gemeinderat bemüht, Kriterien zu finden. Es wurden im Vorlauf bei der Entscheidung für den passenden Bieter/ Investor Kriterienkataloge erstellt und von den Fraktionen und der Verwaltung auch öffentlich diskutiert. Es ging um die Eingliederung des Gebäudes, die Nutzung, Parkierung und Anbindung und um Arbeitsplätze. Unser Fraktionsvorsitzender Schäfer hat am 27. Februar 2007 ebenso einen solchen vierseitigen Kriterien- und Fragekatalog erstellt. (ANLAGE ZUM PROTOKOLL)
Es gab eindeutige Ausschlusskriterien, wie z.B. die Ein- bzw. Nichteinbeziehung des Rathauses in das Gesamtprojekt oder die Positionierung von Tengelmann.

Zum Schluss dieses Auswahlverfahrens blieben, wie bekannt, ein echter Investor und Marktführer mit der ECE und ein Planungsbüro mit der SEPA übrig.

Im SEPA- Entwurf waren am Anfang Ersatz-Büroflächen für das Rathaus geplant mit einer entsprechenden Brücke zum Rathaus. Dies war in der frühen Phase der Entscheidungsfindung eine geplante Bauleistung für die Stadt.
Das ganze Projektvorhaben war somit von Anfang an eindeutig ein öffentliches Bauvorhaben im höchst öffentlichen Interesse - wie man heute noch sieht - und es ging eben nicht nur ausschließlich um die städtebauliche Aufwertung eines Quartiers.
Spätestens hier hätte jemand STOP rufen müssen, denn man hätte nicht mehr so weitermachen dürfen. Denn dies, meine Damen und Herren, sind eindeutige Voraussetzungen für eine regelhafte öffentliche Ausschreibung, bei dem Umfang natürlich europaweit.
Wir hatten dazu ein Rechtsgutachten erstellen lassen, es vorgetragen, ich habe persönlich dazu geraten, die Reißleine zu ziehen.

Doch es ging anders weiter.
Es gab eine Mehrheit im Gemeinderat für die SEPA, mit dieser weiter zu planen und eine Option bis Februar 2008 zu vergeben, weil die Planung von SEPA mehr überzeugte und vor allem das Parkangebot auch noch um eine Tiefgarage durch SEPA erweitert wurde.
Dies war ein eindeutiger Wettbewerbsvorteil von SEPA gegenüber der ECE und der Vorteil war derart, ein Entscheidungskriterium zu sein.
Jetzt wissen wir aber alle, dass die Tiefgarage nicht gebaut wird. Damit der Vorteil der SEPA nicht ganz in den Keller geriet, wurde dann von der Verwaltung ein Parkhaus an der Orbinstraße mit Beteiligung der SEPA und Geldern für die soziale Stadt geplant. Das wird jetzt auch nicht gebaut, weil es zu teuer war.

Meine Damen und Herren, wir sind überzeugt, dass die Option für SEPA bei Nichterfüllung dieses Vorteils keine rechtsbindende Wirkung mehr hat. Eigentlich hätte man wieder zurückgehen müssen. Das wurde aber nicht getan. Es ging nur noch vorwärts und es hieß, der Investor dränge. SEPA ist aber überhaupt kein Investor, wie sich später bei der Finanzierung herausstellte. Das Zustandekommen des Vertrags muss auf jeden Fall im Sinne eines Vorteilsnahms auf Sittenwidrigkeit geprüft werden.
Jetzt sagt man, die SEPA baut über den notwendigen Nachweis mehr Stellplätze.
Sie wissen alle, was man alles in den Nachweis mit hinein oder heraus rechnen kann. Ehrlicher ist es doch zu sagen: Um die erforderlichen Umsätze zur Refinanzierung vor Ort zu erreichen, braucht SEPA doch diese Stellplätze. Man soll doch bitte nicht so tun, als ob hier Geschenke an die Bruchsaler verteilt würden zu Lasten von SEPA.

Und was machte denn eigentlich unsere berühmte öffentliche Ausschreibung?

Wie die Tiefgarage waren bei SEPA die Rathausflächen plötzlich verschwunden, ebenso wie die Brücke zum Rathaus und man bat uns, nicht mehr öffentlich davon zu sprechen, da man eingesehen hat, dass man ausschreiben hätte müssen, wenn Teile des Rathauses neu errichtet werden. Öffentlicher geht’s ja kaum.
Und man hat sich etwas anderes einfallen lassen, um die öffentliche Ausschreibung zu umschiffen.
Die Option für SEPA galt bis Februar 2008. Im Dezember 2007 gab es im Grundbuchamt der Stadt Bruchsal eine kleine aber wichtige Eintragung.
Im Bebauungsgebiet des Projektes befand sich ein kleines Grundstück der Sparkasse Kraichgau mit einer Größe von 358 qm². Für dieses Grundstück ließ sich die SEPA am 20. Dezember 2007, also noch vor dem Auslaufen der Option, eine Auflassungsvormerkung eintragen lassen. Das heißt, die Sparkasse will nur an SEPA verkaufen, der Kaufpreis wurde noch nicht abgewickelt, aber sie hat fast so wie ein vorrangiges Vorkaufrecht für dieses Grundstück.
Nun konnte man ein Umlegungsverfahren einleiten und einen entsprechenden Ausschuss bilden.
Dieser war passend mit der Sepa zu besetzen, um ein Vergabeverfahren, welches man hätte durchführen müssen, wie schon erläutert, nachträglich ad absurdum zu führen, weil ja ein Bieter Grundstückbesitzer ist.
Rechtlich ist Sepa erst ab dem 19. August 2008 Besitzer des Grundstückes. Dies wurde aber vorher schon behauptet.
Verrückter und verdrehter wird die ganze Geschichte noch dadurch, dass die Sepa als Beteiligter in der Umlegung saß, mit dem Ziel, ihr Grundstück an die Stadt zu verkaufen, damit über die Gesamtfläche der Erbpachtzins erhoben werden kann.
Vorrangiger als die SEPA ist natürlich das Vorkaufsrecht der Stadt.
Der Gemeinderat hätte damit unbedingt befasst werden müssen um Nachteile, wie gerade eben Beteiligungen von Dritten in der Umlegung zu vermeiden. Und dies selbstverständlich bevor Sepa die Vormerkung im Grundbuch eingetragen bekommen hatte. Natürlich hätten wir in dieser zentralen Lage von der Sparkasse das kleine Grundstück gekauft.

Zusammenfassend wollte man unbedingt im Sinne einer nachträglichen rechtlichen Sanktionierung der „Nicht-Ausschreibung“ die Sepa mit im Boot haben. Der Gemeinderat wurde sogar darüber im Sinne eines gelungenen Schachzugs davon in Kenntnis gesetzt.

SEPA muss ja jetzt um die Finanzierung zu bekommen, das gesamte Grundstück, außer der Rathausfläche kaufen.
Die Anwälte von SEPA beäugten diese ganze Umlegungsgeschichte auch sehr kritisch und plötzlich will die SEPA von der Umlegung am besten gar nichts mehr wissen.

Und jetzt nach soviel Winkelzügen rächt sich plötzlich diese ganze Vorgehensweise.
Denn berechtigte Forderungen der Stadt gegenüber der SEPA können nicht erhoben werden, da nicht öffentlich ausgeschrieben wurde.

Jetzt trifft uns wie ein Bumerang die Problematik der Ausschreibungspflicht einer Baukonzession. Wir gehen mit Sicherheit davon aus, dass so eine besteht. Denn SEPA muss eigentlich verpflichtet werden, die Grundstücke für einen bestimmten Zweck zu nutzen bzw. zu bebauen.
Zumindest für den Rathausbereich muss der Vertrag eine solche Regelung enthalten. Dürfen wir aber nicht, da wir nicht ausgeschrieben haben. So einen Vertrag darf man aber dann doch nicht schließen.

SEPA hat das alleinige Rücktrittsrecht. Warum nur ein einseitiges? Wenn die Sache angegriffen wird, muss doch auch die Stadt eine Möglichkeit haben wieder rauszukommen, denn sonst bindet sich ja die Stadt möglicherweise über Jahre hinweg, ohne dass etwas passiert, während SEPA eine elegante Position hat. Sie ist ja Eigentümer des Grundstücks. Was ist denn mit dem Kaufpreis, wenn nicht fertiggestellt werden kann?
Meine Damen und Herren, so richtig unangenehm wird es für die Stadt werden, wenn die Sache in irgendeinem Stadium rückabgewickelt werden muss, weil irgendeine Kommission bzw. ein Gericht zu dem Ergebnis gelangt, der Vertrag sei wegen Verstoß gegen soundso, nichtig bzw. unwirksam. Das kann für die Stadt richtig teuer werden, von Schadensersatzansprüchen einmal ganz abgesehen.

Der Vertrag muss also unter allen Umständen hierzu eine für die Stadt tragbare Regelung enthalten. Hat er aber nicht.

Ein Vertrag ohne Rücktrittsrecht und genauer Regelung zur Rückabwicklung ist aber absolut unverantwortlich, meine Damen und Herren. Das werden wir nicht hinnehmen. Da ziehen wir uns mit Risiken den Hals zu, den wir zuvor mit dem Vorgehen versuchten frei zu halten, meine Damen und Herren.
Wer steht denn auf von der Verwaltung, wenn es zu diesem Fall kommt, und gibt zu, fehlgeleitet und fehlberaten zu haben.
Kolleginnen und Kollegen, niemand wird aufstehen, niemand.
Man wird uns sagen: Sie haben es doch gewusst. Wir haben Sie doch die ganze Zeit informiert, Sie waren doch immer Herr des Verfahrens.
Meine Damen und Herren darum geht es unter anderem heute.
Und genau deswegen können wir nicht zustimmen und hoffen, dass ein Normenkontrollverfahren Ordnung schaffen wird.

Eine Zwischenbemerkung:
Wenn SEPA in zwei Monaten anfängt zu bauen, gibt es im gesamten Bebauungsbereich kein Parken mehr. Es wird also nicht zuerst Tengelmann mit Parkhaus fertiggestellt und dann der alte Marktplatz bebaut, sondern alle Maßnahmen werden gleichzeitig begonnen, natürlich auch hier aus Refinanzierungsgründen. Eine befriedende Lösung für Ersatz- Parkflächen gibt es nicht. Viele Geschäfte hängen schon jetzt am seidenen Faden in der Innenstadt. Manche sagen wenn Licht am Ende des Tunnels kommt, dann muss man da durch. Das Problem wird sein, dass viele im Tunnel stecken bleiben werden, weil sie einfach nicht bis zum Ende kommen und gar kein Licht mehr sehen.
Das muss auch heute hier gesagt werden.

Zum Schluss noch ein paar Worte zur geplanten Nutzung:

Statt eines Erlebnis-Einkaufscenter sind es nun drei Kaufläden mit Büroetage und Parkmöglichkeit.
Im ersten ist der erweiterte Tengelmann untergebracht. Das ist ja mehr oder weniger eine reine Verlagerung durch Umzug.
Beim geplanten Mieter Drogeriekette Müller wird es überwiegend zu einer Umsatzverteilung zwischen den Parfümerien und den etablierten Drogeriemärkten DM und Schlecker kommen. DM erwägt übrigens seine Verkaufsfläche in der Innenstadt zu erweitern und hat sich ohnehin in den vergangenen Jahren als Kundenmagnet in der Fußgängerzone entwickelt.
Es wird mit der weiteren Ansiedlung eines Drogeriemarkts kein Fehlsortiment ausgeglichen und die Umsatzumverteilung geht auf Kosten bereits etablierter Geschäfte. Somit ist zu befürchten, dass mit dieser Nutzung auch kein relevanter Kaufkraftgewinn für die Innenstadt erreicht wird.
H&M kommt, das ist toll für junge Leute, aber nicht ungewöhnlich!
Die Schweden eröffnen unter dem Logo H&M in jeder Woche eine neue Filiale. Gestern waren dies 340 in Deutschland. Nächste Woche 341. Die großen Städte sind alle bedient und jetzt geht’s in die Mittelzentren. Der große Konkurrent ZARA zieht nach und verfolgt die gleiche Strategie.
Übrigens: Das Rathaus wird dadurch auch nicht zum „Platz des himmlischen Friedens“, wie die Werbegemeinschaft meinte.
Dieser Platz gibt beispielhaft Zeugnis von Diktatur, Willkür und verbotener Meinungsfreiheit.
Was uns die junge Mode wert ist, an Steuergeldern auszugeben, wird mein Fraktionskollege Jürgen Schmitt gleich anschließend darlegen. Zusammenfassend muss aber festgehalten werden:
SEPA schafft es nicht aus eigener Kraft, attraktive Anbieter leistungsstarker (Fehl-) Sortimente in ansprechender Vielfalt im mittleren und vor allem gehobenen Angebotsbereich als Mieter zu bringen!
Auch darum geht es heute und auch deswegen Ablehnung, da diese Entwicklung nicht zum Wohle der Stadt ist.
Betrachten wir noch einmal die drei Faktoren, um die es uns heute allen gehen sollte:

Kann diese Entscheidung rechtlich unbedenklich gefällt werden? Ist das Angebot für die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bruchsal angemessen und erfüllt unsere Erwartungen? Hat die Stadt Handlungsspielraum und keine unkalkulierbaren finanziellen Risiken bei dem Abschluss der Verträge?

Nein, nein und nochmals Nein!
Und deswegen dreimal Nein von der SPD Fraktion!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

SPD-Gemeinderatsfraktion

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